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Die Produkthaftung in den USA

rw-admin | 01/17/2014

Würden Sie auf die Idee kommen, vor Gericht zu ziehen, weil ihr neues Mobiltelefon mit Sprachsteuerung Ihnen nicht – wie in der Werbung versprochen – beim Binden einer Krawatte helfen kann?

In den USA ist die Antwort „Ja“. Hier wurde Apple aufgrund der Funktion Siri auf dem Iphone verklagt, da die Sprachsteuerung nicht wie in der Werbung angeprießen funktionierte. Zahlreiche solcher skuriller Klagefälle machen die Runde und bringen den Vereinigen Staaten häufig den Ruf des Landes der unbegrenzten (Klage-) Möglichkeiten ein. Viele der urbanen Legenden stimmen nicht, allerdings ist das amerikanische Recht in der Tat anfällig für Produkthaftungsklagen.

Die Produkthaftung in den USA

von der IHK Region Stuttgart

Jedes Unternehmen, das in die USA exportiert wird zwangsläufig mit dem Thema „Produkthaftung“ konfrontiert. Denn immer wieder wird in den Medien über spektakuläre Produkthaftungsklagen aus den USA berichtet. Häufig entsteht dabei der Eindruck, dass Unternehmen gezwungen seien, selbst für die abwegigsten Nutzungen ihrer Produkte zu haften. Man denke nur an das berühmte Trocknen der Katze in der Mikrowelle! Allerdings geht es nicht nur um kuriose Fälle, sondern vor allem um exorbitante Schadenssummen, die eingeklagt werden und exportwillige Unternehmen verunsichern.

Auch wenn das Bild vom amerikanischen Produkthaftungsrecht als Schreckgespenst nicht unbedingt der Realität entspricht, wird das US-Produkthaftungsrecht meist als wesentlich risikoreicher angesehen als das europäische. Im Folgenden werden die wichtigsten und gravierendsten Unterschiede zusammengefasst.

Anspruchsgrundlagen

Das amerikanische Recht kennt im Wesentlichen drei von einander unabhängige Anspruchsgrundlagen für Produkthaftungsklagen:

  • Breach of Warranty
    Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Haftung dafür, dass ein Produkt bestimmte Eigenschaften besitzt. Sie entspricht am ehesten der deutschen Gewährleistungshaftung, ist jedoch Verschuldens unabhängig.
  • Negligence
    Sie gründet auf der zumindest fahrlässigen Verletzung einer Sorgfaltspflicht. Diese Haftung ist Verschuldens abhängig.
  • Strict Liability in Tort
    Sie ist eine Gefährdungshaftung, die einen Schaden verursachenden Produktfehler voraussetzt. Sie ist mit dem deutschen Produkthaftungsgesetz vergleichbar und trifft den Hersteller, Händler und Versender verschuldensunabhängig. Hierzu gibt es keine gesetzliche Regelung, sondern nur Rechtsprechung, sog. „case law“.

Haftungsumfang

Ein großer Unterschied zum deutschen Recht ist, dass in den USA nicht der Richter, sondern die „Jury“ über den Schadensersatz entscheidet. Sie ist dabei an keine Anträge gebunden. Diese Jury ist zusammengesetzt aus Bürgern jeglicher Herkunft, die über keine juristische Vorbildung verfügen müssen und den Fall eher mit dem gesunden Menschenverstand beurteilen. Der Richter überwacht nur den geordneten Verfahrensablauf.

Es sind verschiedene Arten des Schadensersatzes zu unterscheiden. Ersetzt werden „Direct Damages“, die direkt aus dem Produktfehler herrühren. Daneben kommen immaterielle Schäden in Betracht wie „Pain and Suffering“, „Emotional Distress“, die in etwa dem deutschen Schmerzensgeld entsprechen, und „Lost Income“, der erlittene Verdienstausfall.

Außerdem kommen sogenannte „Punitive Damages“ hinzu, ein Strafschadensersatz, der dem deutschen Recht unbekannt ist und der – zumindest nach derzeitiger Rechtslage – in Deutschland nicht vollstreckt wird.

Hinzu können consequential damages kommen, die Folgeschäden betreffen. In den meisten Fällen wird der Strafschadensersatz den Großteil der Gesamtsumme ausmachen.

Kosten des Verfahrens

Mit dem amerikanischen Anwalt kann ein Stundenhonorar oder ein Erfolgshonorar („Contingency Fee“) vereinbart werden. Im Falle eines Erfolgshonorars erhält der Anwalt nichts, wenn er den Fall verliert. Die Anwaltskosten sind in den USA außerdem von jeder Partei selbst zu tragen. Es findet keine Kostenerstattung wie in Deutschland statt. Betrachtet man dies zusammen mit den niedrigen Gerichtsgebühren, so ist das Kostenrisiko im Prozess für den Kläger sehr gering (wenn ein Erfolgshonorar vereinbart wurde), wohingegen der Beklagte stets – auch im Falle des Obsiegens – mit Kosten zu rechnen hat. Die Anwaltskosten sind für den Beklagten besonders hoch, da es keinen gesetzlichen Rahmen für eine Obergrenze gibt. Die relativ geringen Kosten für den Kläger erhöhen naturgemäßg die Bereitschaft etwaige Produkthaftungsansprüche im Wege einer Klage gelten zu machen, weshalb auch viele für deutsche Verhältnisse „skurille“ Klagen in den USA Erfolgsaussichten haben können.

Risk Management

Der sicherste Weg, um das Haftungsrisiko zu reduzieren ist, Produktfehler zu vermeiden und sichere Produkte anzustreben. Bei dennoch entstehenden Fehlern muss die Verlagerung der Haftung angestrebt oder Ansprüche abgewehrt werden.

Bereits bei der Entwicklung muss bedacht werden, dass in den USA von einem niedrigeren Kenntnisstand der Produktanwender auszugehen ist. Eine Risiko- und Gefährdungsanalyse ist durchzuführen. Eine robuste Konstruktion, die Montage, Anwendung und Wartung einfach macht, ist anzustreben und durch Sicherheitsaudits nachzuweisen.

Bei der Fertigung kann die Qualität am besten durch ständige Dokumentation, die einen Nachweis der Qualitätskontrolle ermöglicht, sichergestellt werden.

Auch fehlerhafte Instruktion kann zu einer Haftung führen. Dies kann sich zum Einen aus einer Bedienungsanleitung ergeben; zum Anderen kann auch schon verharmlosende, übertreibende oder beschönigende Werbung eine Haftung auslösen.

Da selbst falsche oder unverständliche Bedienungsanleitung in den USA zur Haftung führen können, dürfen deutsche Bedienungsanleitungen nicht einfach übersetzt werden, sondern müssen dem amerikanischen Markt angepasst werden.