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Fiese Karrierefallen

rw-admin | 08/01/2017

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Nicht dem Boss widersprechen, Vorsicht mit schlüpfrigen Witzen, nie maulen bei Überstunden: Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es eine kulturelle Kluft, die transatlantische Karrieren empfindlich stören kann, sagt Berater Ron Gorlick. Er hat Tipps gesammelt, die Deutschen helfen, dumme Fehler zu vermeiden.

Vor etwas mehr als 13 Jahren kam ich aus den USA nach Deutschland, um meinen ersten Vollzeitjob in einer mittelgroßen deutschen Unternehmensberatung anzutreten. An die erste Arbeitssitzung in der neuen Firma erinnere ich mich gut: Der Chef und Eigentümer erläuterte, das Unternehmen habe alles dafür getan, mehr weibliche Berater zu verpflichten. Leider bislang ohne durchschlagenden Erfolg.

Meine Kollegin Andrea entgegnete: „Ich muss widersprechen. Wir haben bei Weitem nicht alles getan, was wir konnten.“ Anschließend zählte sie auf, was die Firma alles versäumt hatte, um mehr Frauen zu verpflichten.

„Schade“, dachte ich, „eine nette Kollegin, aber nun wird sie wohl entlassen.“ In den USA steht man nicht einfach auf und widerspricht seinem Vorgesetzten in aller Öffentlichkeit. Wer das tut, dessen Tage im Unternehmen sind schnell gezählt.

Ich sollte mich noch wundern, das Gegenteil war der Fall. Meine Kollegin wurde zwei Monate später befördert.

„Für viele Amerikaner ist respektvoller Widerspruch ein großer Schritt“

Wahrscheinlich hatten deutsche Expatriates in meinem Heimatland USA für sie ähnlich erstaunliche Erlebnisse. Mich interessierte, wie diese aussahen. Neben meinen persönlichen beruflichen Erfahrungen in beiden Kulturkreisen griff ich auf eine Studie zurück, die ich bereits im Jahr 2003 durchgeführt habe. Zudem führte ich in den vergangenen Wochen ausführliche Interviews mit 16 hochrangigen Führungskräften, 3 Amerikanern und 13 Deutschen.

Die Interviewpartner repräsentieren eine breite Palette an Branchen, große und kleine Unternehmen, arbeiten als Fachgebietsleiter, Geschäftsführer oder sind beratend tätig. Sie alle besitzen Erfahrungen mit den unterschiedlichen Arbeitsstilen der beiden Kulturen.

Meine Gesprächspartner konnten viele Erfahrungen liefern, die Deutschen in den USA helfen. Ich ermunterte sie, Ratschläge für Deutsche zu formulieren, die in die USA entsandt werden.

Hätte meine eingangs erwähnte deutsche Kollegin ihren amerikanischen Chef auf die gleiche Weise kritisiert, wäre das ihrer Karriere sicher nicht dienlich gewesen. Es bestehen offenbar signifikante Unterschiede in der Art, Autorität auszuüben und zu akzeptieren. Von deutschen Expatriates wird erwartet, dass sie sich anpassen. Ralf Drews, Deutscher und President und CEO von Dräger Safety für Nordamerika, erläutert: „Meine deutschen Kollegen behandelten mich mit schonungsloser Offenheit. Ich animiere auch meine US-Mitarbeiter dazu, meine Meinung infrage zu stellen, mich herauszufordern. Aber für viele Amerikaner ist respektvoller Widerspruch bereits ein großer Schritt. Einige sind sehr mutig, andere weniger.“

Alle duzen sich – aber zum Lunch geht jeder nur mit seinesgleich

Harald Stock, Deutscher und CEO des Arzneimittelkonzerns Grünenthal Group, hat lange in den USA gearbeitet. Er sagt: „Wenn die ranghöchste Person im Raum ein Statement abgibt oder eine Entscheidung fällt, wird darüber nicht diskutiert. In Deutschland werden Sie höchstwahrscheinlich einige höfliche Gegenargumente hören.“

Harald Rang, Deutscher und Group Vice President bei BASF, kehrte 2006 nach Deutschland zurück, nachdem er als Expatriate in die USA entsandt worden war. Seiner Ansicht nach gibt es in den USA ein größeres Bewusstsein für Hierarchien als in Deutschland. Dabei sieht es zunächst aus, als sei es genau umgekehrt. In Deutschland zeigen sich Hierarchien durch Symbole, die in den USA keine große Rolle spielen, außer auf den obersten Führungsetagen. Dazu gehören ein Firmenwagen und ein eigenes Sekretariat.

Bekannt ist, dass Amerikaner sich fast durchweg mit dem Vornamen ansprechen. Doch was bewirkt das? Stefan Sobottka, Deutscher und Bereichsmanager bei Gillette, verbrachte mehrere Jahre in Boston. Er stellt dazu fest: „Es vermindert das Gefühl hierarchisch bedingter Distanz oder kaschiert sie. In den USA fühlt man sich einander näher, obwohl die Hierarchie immer noch da ist.“

Allerdings fördert das Anreden mit dem Vornamen nicht zwingend den Gedankenaustausch mit anderen Hierarchieebenen. Chris Martin, Amerikaner, Führungskraft bei Bosch, der schon zum zweiten Mal nach Deutschland entsandt wurde, sagt: „Anders als in den USA gehen in Deutschland auch Führungskräfte verschiedener Ebenen miteinander mittagessen.“

Wer lang diskutiert, dem fehlt es wohl an Leadership

Aus diesen Unterschieden lassen sich verschiedene Ratschläge ableiten: Kollegen und Vorgesetzte in den USA empfinden es als Mangel an Leadership, wenn Sie zu sehr darauf aus sind, Zustimmung zu erlangen, und Ihre Verhandlungen sich in die Länge ziehen. Diskutieren Sie, aber tun Sie es schnell. Finden Sie das richtige Gleichgewicht. Sie müssen Ihr Verhalten nicht radikal ändern, aber verleihen Sie Ihrem Anliegen mehr Nachdruck als gewohnt. Deutsche Manager sollten in den USA darauf achten, dass sie die Kontrolle über den Prozess behalten. Oft denken sie, sie dürften eine Entscheidung nicht allein fällen. Konzentrieren Sie sich auf die kritischen Themen. Erlauben Sie den Mitarbeitern, Input zu geben, und fällen Sie dann zügig Ihre Entscheidung.

Spiegel Online