Spurensuche: Vom Arbeitgeber durchleuchtet
rw-admin | 11/12/2014
Planen Sie momentan, jemanden einzustellen? Wenn ja, dann haben Sie oder Ihre Kollegen in der Personalabteilung vielleicht schon den potentiellen Mitarbeiter gegoogelt. Oder haben Sie sogar seine Facebook-Seite gesucht?
Solche Internet Recherchen sind mittlerweile überall in der Welt gängige Praxis. Man verlässt sich nicht mehr auf die Angaben im Lebenslauf, sondern möchte zusätzliche Sicherheit. Gegen das „Googeln“ von Bewerbern ist prinzipiell nichts einzuwenden, allerdings gehen die sogenannten „Background Checks“, die amerikanische Unternehmen häufig standardmäßig durchführen, über simple Internet Suchanfragen hinaus.
Spurensuche: Vom Arbeitgeber durchleuchtet
von Volker Hagemeister (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Strafverfahren, Verkehrsverstöße, Drogenerfahrungen: Viele amerikanische Unternehmen prüfen die Vergangenheit von Bewerbern. „Background Checks“ nennen sich die Nachforschungen, die auch in Deutschland im Kommen sind.
Simmen die Angaben im Lebenslauf zu Ausbildung und bisherigen Arbeitgebern? Ist der Bewerber vorbestraft? Gab es positive Drogentests? Hatte der Bewerber Kreditschwierigkeiten, oder hat er ehemalige Arbeitgeber verklagt? In den Vereinigten Staaten versprechen inzwischen spezialisierte Dienstleister wie die Unternehmens- und Sicherheitsberatungsfirma Kroll Arbeitgebern rasche Auskunft zu solchen Fragen. Aber auch in Deutschland müssen Bewerber damit rechnen, dass Arbeitgeber sich nicht allein auf die Angaben im Lebenslauf verlassen.
Nach einer Studie des Beratungsunternehmens „Result Group“ zu „Wirtschaftskriminalität durch Informationsabfluss“ führen bislang nur vier Prozent der deutschen Unternehmen Background Checks von Bewerbern durch. Aufgrund der Entwicklung in den Vereinigten Staaten, insbesondere bei deutschen Tochterunternehmen amerikanischer Konzerne, dürfte diese Zahl aber steigen.
Kroll hat auch in Deutschland eine Niederlassung, doch setzen hier Gesetze und Rechtsprechung Background Checks enge Grenzen. Zwar gibt es auch in den Vereinigten Staaten Beschränkungen, insbesondere in einzelnen Bundesstaaten wie Kalifornien. Doch können Arbeitgeber dort wesentlich einfacher an Informationen etwa über Vorstrafen, finanzielle Verhältnisse oder Beurteilungen durch frühere Arbeitgeber herankommen als in Deutschland. Eine Nachforschung kann sogar die Befragung von Nachbarn und Freunden über Charakter, allgemeine Eigenschaften, Ruf und Lebensweise des Bewerbers umfassen.
In Deutschland ist grundsätzlich für Background Checks die Einwilligung des Bewerbers erforderlich, sofern andere als öffentlich zugängliche oder in Zeugnissen enthaltene Informationen eingeholt werden sollen. Zudem sind Informationen tabu, nach denen der Arbeitgeber auch im Vorstellungsgespräch nicht fragen darf. Zulässig sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt nur Fragen nach Informationen, die für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes von Bedeutung sind und an denen der Arbeitgeber ein schützenswertes Interesse hat. Fragen nach Krankheiten, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sind daher nur in Ausnahmefällen erlaubt, wenn dadurch die Eignung des Bewerbers für die angestrebte Tätigkeit erheblich beeinträchtigt wird.
Das gilt auch für Fragen nach Straftaten, so dass zum Beispiel nach Sexualdelikten bei Erziehern oder Vermögensdelikten bei Beschäftigten in Finanzabteilungen oder Banken gefragt werden darf und Bewerber einschlägige Vorstrafen oder Ermittlungsverfahren unter Umständen sogar ungefragt offenbaren müssen. Fordert der Arbeitgeber den Bewerber aber zur Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses auf, ist dies – abgesehen vom öffentlichen Dienst, sicherheitsrelevanten Tätigkeiten wie auf Flughäfen und im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Führungskräften – rechtlich heikel. Denn das polizeiliche Führungszeugnis enthält vor Ablauf der jeweiligen Tilgungsfristen alle Vorstrafen, auch solche, die in keinem Bezug zur auszuübenden Tätigkeit stehen.
Auch Daten zu den finanziellen Verhältnissen und der Kreditwürdigkeit des Bewerbers können Arbeitgeber in Deutschland legal nur durch die Zusammenarbeit mit dem Bewerber erhalten. Auf Verlangen des Arbeitgebers könnte der Bewerber eine Eigenauskunft der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) vorlegen, die Aufschluss über Zahlungsschwierigkeiten gegenüber Vertragspartnern der Schufa gibt. Nach der Rechtsprechung des BAG ist aber auch die Frage nach den finanziellen Verhältnissen eines Bewerbers nur zulässig, wenn es sich um eine Tätigkeit mit besonderer Vertrauensstellung handelt.
Informationen von früheren Arbeitgebern sind ohne Einwilligung des Bewerbers ebenfalls heikel, jedenfalls wenn es um andere als im Zeugnis gemachte Angaben geht. Auch zum Gehalt darf der frühere Arbeitgeber ohne Einwilligung des Bewerbers keine Auskunft geben. Denn die Frage nach dem bisherigen Gehalt halten Richter gegenüber einem Bewerber für unzulässig, sofern nicht der Bewerber von sich aus das bisherige Gehalt zur Mindestbedingung erhebt oder es Rückschlüsse auf seine Eignung für die Stelle zulässt – zum Beispiel weil bei einer leistungsabhängigen Vergütung daraus auf die Einsatzbereitschaft des Arbeitnehmers geschlossen werden kann.
Auch Arbeitgeber, die ohne Einwilligung des Bewerbers ein graphologisches Gutachten von handschriftlichen Unterlagen des Bewerbers anfertigen lassen, verletzen nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bewerbers und können zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet sein. Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung von Bewerbern sind aber die große Ausnahme. Ein Bewerber, von dem ein Arbeitgeber die Teilnahme an einem Background Check verlangt, befindet sich daher in einem Dilemma: Verweigert er die Überprüfung, muss er damit rechnen, die Stelle nicht zu bekommen. Auch wenn der Test gegen sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verstoßen sollte, bestehen dann nur geringe Aussichten, einen Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch gegen das Unternehmen wegen der Nichtberücksichtigung vor Gericht durchsetzen zu können.